Johanniter März/21
25 Im März des vergangenen Jahres veränderte sich unsere Welt durch die Ankunft des Corona-Virus grundlegend. Ein Jahr ist nun ins Land gegangen und nichts ist mehr so, wie wir es kannten: Unser Tagesablauf wird trotz Impfung noch immer vom Virus geprägt. Unser Berufsalltag ist von ihm genau - so betroffen wie unsere Freizeitgestaltung, auch unsere Urlaubspläne, die doch für uns fast sakro - sankt waren! Sogar unser religiöses und kirchliches Leben sind nicht mehr so, wie wir es über Jahre und Jahrzehnte gewohnt waren. Und es ist ja noch nicht zu Ende: Unser Umgang mit dem Virus lässt geradezu an eine neue Form von Religiosität den - ken: Maskenpflicht und Abstands- und Hygiene - richtlinien erinnern an die Reinheitsvorschriften im Alten Testament und sind Teil unserer kirchlichen Liturgie geworden. Der Staat reglementiert allerorts das kirchliche Leben: Eine Art gesundheitspolitisches Kirchenregiment ist entstanden. Und die Impfung hat geradezu Erlösungscharakter und wird von vie - len ersehnt wie dazumal die Ankunft des Heilands! Raus aus dem Hamsterrad / All das hatten wir vor einem Jahr nicht erwartet. Aber darüber zu klagen, ist wohlfeil und bringt nichts! Wir sollten eher ver - suchen, ein paar Lehren aus diesem Corona-Jahr zu ziehen. Besonders können wir uns die Frage stellen, in was für einer Gesellschaft wir eigentlich leben wollen, wenn noch einmal eine solche – oder eine andere – Krise über unser Land hereinbricht. Wollen wir immer weiter in diesem Hamsterrad der ständigen Beschleunigung sein oder lieber mal ein we - nig runterkommen? „Stabile Seitenlage, Ruhepuls 60 Foto: Thomas Schwartz, Illustration: Karo Rigaud Beiträge in der Rubrik „Denkanstoß“ geben nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder. Prof. Dr. Thomas Schwartz ist Moraltheologe und lehrt Wirtschafts- und Unterneh - mensethik an der Universität Augsburg. Zusammen mit dem Astrophysiker Harald Lesch hat er das Buch „Unberechenbar – Das Leben ist mehr als eine Gleichung“ veröffentlicht. Denkanstoß Wie leben in diesen Zeiten? – kein Blutverlust“ –, so könnte die Devise lauten. Wir brauchen keine Karussellgesellschaft – ein bayerischer Biergarten hat auch etwas Schönes an sich! Sollten wir nicht lieber lebenswichtige Güter und Dienstleistungen selber in Deutschland und Europa produzieren und vorhalten, als sie auf dem globalisier - ten Markt immer zu den billigsten Preisen einzukau - fen? Die Krise hat gezeigt, dass Vorratshaltung zwar teuer ist, aber dennoch sinnvoll sein kann. Außerdem sichern wir damit sogar Arbeitsplätze bei uns! Und sehnen wir uns nicht eigentlich ganz tief in unse - rem Herzen nach den guten alten, dörflichen Struk - turen, in denen viele von uns noch aufgewachsen sind? Danach, nicht eine anonyme Nummer zu sein, sondern von unseren Nachbarn noch geduzt zu wer - den und zu wissen, was in unserem näheren Umfeld so alles passiert? In was für einer Gesellschaft wollen wir leben, wenn die Krise kommt? In einer menschli - chen und mitmenschlichen Gesellschaft, also in guter Gesellschaft! / Prof. Dr. Thomas Schwartz Johanniter / März 2021 / Unter Freunden
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