Johanniter Juni/23
Foto: Privat Wenn andere im Garten wühlen oder mit den Alt - herren auf dem Fußballplatz stehen, dann schlüpft Markus Steidle in seine Einsatzkleidung und fährt los. Zu einem Wohnungsbrand, Unfall, Tatort oder wo auch immer psychosoziale Unterstützung benötigt wird. Im Regionalverband Oberschwaben/Bodensee ist er nämlich in seiner Freizeit als seelische Stütze unterwegs. „Das mag jetzt vielleicht befremdlich klingen, aber es ist so: Ich mache diese Einsätze wirklich gerne. Denn da sind Menschen psychisch am Rande – und ich kann helfen.“ Wann das passiert, ist nie vorhersehbar. Und wenn der Funkmelder Alarm schlägt, dann greift ein Rädchen ins andere: Rückmeldung bei der Leitstelle, Infos zum Einsatzort einholen und vor Ort die Einweisung ins Krisenge - schehen durch Polizei oder Rettungskräfte. Auffangen und stabilisieren / Steidle ist einer von 20 Freiwilligen in seinem Johanniter-Regionalver - band, die zwischen Villingen-Schwenningen und Leutkirch gebraucht werden, wenn Beistand nach einem Unfall notwendig ist, jemand eine Gewalt - tat erleben musste oder wenn im Falle einer ver - missten Person die Angehörigen seelisch in Aufruhr sind. „Wir müssen diejenigen dann auffangen und sie stabilisieren“, sagt Steidle. Da hilft es, zu reden oder auch zu schweigen, aber unbedingt da zu sein. „Wir sind manchmal auch Manager und vermitteln.“ Zwischen Polizei, Rettungskräften, Hinterbliebenen. Seine schwierigsten Einsätze? Der 48-Jährige muss da nicht lange überlegen: „Immer wenn Kinder be - troffen sind. Dann spielen auch die eigenen Emo - tionen eine große Rolle“, sagt Steidle, selbst mehr - facher Vater. Plötzlicher Kindstod, vermisste Kinder, häusliche Gewalt oder ein Unfallgeschehen, das gehe auch bei den psychosozialen Nothelfern an die Substanz. Er erzählt von einer emotional aufrei - benden Großfahndung nach einem Siebenjährigen, der dazugehörigen Großfamilie in Panik und Sorge und letztlich dem Fund des Jungen nur 150 Meter Luftlinie entfernt, unter der Abdeckung eines ab - gelassenen Pools, in den er gestürzt war. Es sind Erlebnisse wie diese, die sich einprägen. Aber Steidle bringt gute Voraussetzungen für diese Arbeit mit: Er kann zuhören, wirkt besonnen, hat das benötigte Feingefühl: „Ich helfe anderen wirklich gern, weil ich sehe, es hilft ihnen in der Situation. Aber es ist nicht mein Leid.“ Professionelle Distanz / In seinem Hauptberuf ist Steidle Bademeister, hat 2004 eine Ausbildung zum Helfer in der psychosozialen Notfallversorgung absolviert. Seit 2016 macht er das als Freiwilliger bei den Johannitern und ist in seiner Region als Koordinator für weitere Freiwillige tätig. Er selbst ist etwa bei jedem dritten Notruf selber im Einsatz. Aber wenn er mal nicht dabei sein kann, steht er zumindest telefonisch zur Verfügung. Wenn mög - lich, sind sie immer zu zweit vor Ort, wenn not - wendig auch mehr, aber alle auf freiwilliger Basis: Sie seien ein eingespieltes Team, man wisse von den Stärken und Schwächen. Das ist wichtig. Auch, dass es untereinander viel Kontakt und Austausch gibt. Nach dem Einsatz nehmen sie sich dann noch Zeit füreinander, reden und verarbeiten gemein - sam, was sie erlebt haben. Dann wissen sie auch, dass ihre Hilfe dankbar in Anspruch genommen wurde und sie ein Beistand sein konnten in einem schwierigen Moment. / Ina Krauß Porträt Zuhörer mit Feingefühl. Markus Steidle sorgt für Rat und Hilfe, wenn Menschen weder ein noch aus wissen – ehrenamtlich in der psycho sozialen Notfallversorgung eine starke Schulter in der Krise. Johanniter / Juni 2023 / Unter Freunden 21
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