Johanniter März 2025

Mit Zitaten aus der Bibel ist es so eine Sache: Einige sind längst zu Sprichwörtern geworden. Nur dass kein Mensch mehr weiß, dass sie ursprünglich aus der Bibel stammen. „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“ (Sprüche 26,27) ist dafür ein pro - minentes Beispiel. Andere Sprüche dagegen klingen so langweilig oder so gestrig oder so moralisch, dass ich sie mir gar nicht einprägen möchte. Erst recht kann ich mir dann nicht merken, wo die Sprüche in der Bibel zu finden sind. Mit der Jahreslosung für 2025 aber ist es anders: „Prüfet alles und behaltet das Gute!“ aus dem 1. Brief an die Thessalonicher 5,21. Die - sen Spruch hätte ich gewusst! Einschließlich der Stellenangabe! Eine befreiende Botschaft / Irgendwann in der Schulzeit bin ich diesem Satz zum ersten Mal be - gegnet und seither habe ich ihn nicht mehr verges - sen. Auch weil ich die dahinterliegende Botschaft immer als unglaublich befreiend empfunden habe: Aus dem Konfirmandenunterricht und den Predigten in meiner Gemeinde hatte ich mitgenommen, dass man wohl fromm sein soll, aber sich in die moderne Welt besser nicht einmischt. Alles Politische schien irgendwie gefährlich. Und so manches, was ande - ren Menschen offensichtlich Freude bereitete, stand unter dem Verdacht der Sünde. Tanzen zum Beispiel. Oder Karten spielen. Dagegen dann dieser befreiende Satz in der Bibel: Prüfet alles und behaltet das Gute. Als Christ darf man erst einmal alles ausprobieren. Erst recht darf man auf jeden Menschen zugehen, auch wenn der oder die vielleicht ganz andere Standpunkte vertritt als ich selbst. Neugierig zu sein, ist deshalb ausdrücklich erlaubt. Ohne Vorbehalte, ohne Zurückhaltung, ohne Schere im Kopf. Immer gilt: Erst mal hinschauen. Mir mein eigenes Urteil bilden. Gott traut uns zu, dass uns das auch gelingen wird. Das Prüfungskriterium ist ein - fach und klar: das Gute suchen, finden und behalten. Was dem nicht standhält, kann weg oder sollte man meiden. Gut auch für andere / Gar nicht so einfach, das Gute auszumachen? Doch! Als Christ geht es nicht um zwanghafte Selbstoptimierung und eigene Vorteile auf Kosten anderer. Frei nach dem Motto „Wenn jeder gut für sich sorgt, dann ist doch auto - matisch für alle gesorgt“. Ich finde das zu kurz ge - griffen. Was gut für mich ist, sollte immer auch gut sein für andere. Gut für die Menschen, mit denen ich das Leben teile – mit Familie und Freunden, mit Arbeitskolleginnen und Mitschülern, mit den Men - schen in meinem Dorf und meiner Stadt. Übrigens: Bei strittigen Fragen findet sich das Gute meist im direkten Gespräch. In diesem Sinne wün - sche ich Ihnen viele Kontakte und intensive Begeg - nungen mit den Menschen in Ihrer unmittelbaren Nähe. Suchen Sie miteinander das Gute – und halten Sie es fest! / Frank Neumann Foto: Tobias Eilers / Illustration: raufeld/Martin Rümmele Beiträge in der Rubrik „Denkanstoß“ geben nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder Frank Neumann 64, ist Bundespfarrer der Johanniter-Unfall-Hilfe. Der Klinikseelsorger am Universi - tätsklinikum Münster schrei - nert gern und freut sich aufs Frühjahr, wenn er wieder sei - ner Passion fürs Fliegenfischen nachgehen kann. Denkanstoß Ausprobieren ausdrücklich erlaubt. Johanniter / März 2025 / Unter Freunden 29

RkJQdWJsaXNoZXIy NTMzMTY=