Johannitermagazin 2015/01 - page 6

johanniter 1/2015
Woche eine Flüchtlingsunterkunft einzurichten.
„Wir haben fast Tag und Nacht hier verbracht“,
sagt Detlev Weschky, der sich seit 1972 bei
den Johannitern engagiert. Wegen der vielen
Flüchtlinge waren im vergangenen Herbst
im ganzen Bundesland keine Betten zum Zusam-
menstecken mehr zu bekommen. „Also haben
wir in Tag- und Nachtschichten 300 Betten
zusammengeschraubt.“ Andere richteten die
sanitären Anlagen her, strichen Wände, orga­
nisierten bei Unternehmen aus der Region Bett­
wäsche, Hygiene-Artikel und Kleiderspenden.
Rund 4000 Ehrenamts-
stunden sind in dieser
Zeit geleistet worden, hat
Kristian Hilmert ausgerech-
net. Seine eigenen Über-
stunden hat der Leiter für
Zentrale Dienste im
Johanniter-Regionalver-
band Lippe-Höxter gar nicht erst gezählt:
„Es ging einfach darum, diesen Ort herzurichten.
So, dass die Menschen, die oft schreckliche Dinge
erlebt haben und schon lange unterwegs sind,
sich hier sicher fühlen und ein wenig zur Ruhe
kommen können.“ Da war es hilfreich, dass die
Johanniter nicht nur auf viele erprobte Ehrenamt-
Die Johanniter helfen Menschen,
die vor Krieg und Gewalt nach
Deutschland geflohen sind. Im nord-
rhein-westfälischen Oerlinghausen
leiten sie eine Zentrale Unter-
bringungseinrichtung. Viele Helfer
haben dafür engagierte Vorarbeit ge-
leistet und packen nun in allen Berei-
chen beherzt mit an.
„Lam-pe, Le-ben, Lie-be! Lam-pe, Le-ben, 
Lie-be!“ Fast klingt es wie ein Hip-Hop-Song
oderder Chor eines modernen Theaterstücks,
so enthusiastisch sprechen rund 60 Frauen
und Männer im Raum nach, was vorne an der
Wandtafel geschrieben steht. Doch sie üben
nur das deutsche Alphabet. Dabei allerdings
schreckt Esra Pollmann, Sozialarbeiterin in
der Johanniter-Flüchtlingsunterkunft Oerling-
hausen, vor nichts zurück: Als sie beim
„P“ angelangt sind, schnappt sich Esra einen
Besen, der in der Ecke des improvisierten
Klassenzimmers lehnt, und fegt demonstrativ
den Boden. Eine rund 50-jährige Dame mit
Kopftuch versteht sofort. „Frau putzt“, ruft sie
mit stolzer Stimme. Währenddessen geht
ihr Kollege durch die Reihen und sammelt
mit großen Gesten weitere P-Worte ein:
„Pizza“, „Polizei“, „Pullover“ schallt es ihm von
allen Seiten entgegen. Und es wird viel gelacht.
„Wir können natürlich keinen richtigen
Deutschunterricht anbieten, weil die meisten
nur wenige Tage bei uns bleiben“, erklärt Nabil
Essadqi nach dem Ende der Stunde. „Aber das
Interesse, die Sprache wenigstens ein bisschen
kennenzulernen, ist riesig.“ Seine Kollegin 
ergänzt: „Als Flüchtling ist man ständig in Situa­
tionen, in denen man darauf warten muss,
was andere tun und entscheiden. Da tut es gut,
wenn man mal selbst aktiv werden kann.“
Mit großem Einsatz hergerichtet
Die Zentrale Unterbringungseinrichtung in
Oerlinghausen war vor einem knappen
halben Jahr noch eine ehemalige Suchtklinik
für Männer, die monatelang leer gestanden
hatte. Die Landesregierung Nordrhein-West­
falens mietete die Immobilie und beauftragte
die Johanniter, innerhalb von nur einer
„In Tag- und Nacht-
schichten haben wir
300 Betten zusammen­
geschraubt.“
Fotos: Nikolaus Brade
Voller Einsatz: Esra Pollmann unterrichtet
die Flüchtlinge in Deutsch: „Das Interesse ist riesig!“
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