Johannitermagazin 2015/02 - page 26

Es geht uns gut. Wir Jungen haben alles, was wir brauchen:
genug zu essen, ein Dach überm Kopf, Internet. Wir
haben allen Grund, zufrieden zu sein. Und wir sind es
auch. Zugleich aber hören wir, seitdem wir denken
können: Verlasst euch auf niemanden mehr, erst recht
nicht auf den Staat. Ihr müsst selbst zusehen, wie ihr
durchs Leben kommt. Die Rente ist sicher? Das war
einmal. Ihr wollt etwas ändern? Wo kommen wir denn
da hin!
Wenn wir über das Miteinander der Generationen
sprechen, kommen Jugendliche selten vor. Die Rentner
und ihre Funktionäre sprechen gern darüber, was die
Gesellschaft ihnen schuldet. Selten wird darüber
gesprochen, was die Alten uns schulden. Wir Jungen
müssen ausbaden, was kurzsichtige Finanzjongleure
und Politiker uns eingebrockt haben: Schuldenkrise,
Sozialkrise, Umweltkrise.
Bei der Debatte um Generationengerechtigkeit geht
es nicht um Verjüngungswahn, sondern um Fairness. In
einer Demokratie übersetzt sich Masse in Macht. Politik
braucht Wählerstimmen. Wenn die Älteren
immer mehr werden, dann bestimmen
sie die Agenda. Die junge Generation
wird vergessen und verdrängt. Beim
Thema Jugendpolitik denken die
meisten Politiker wahlweise an Face-
book-Wahn oder Saufgelage – wei-
ter reicht der Horizont nicht. Im
neuen „Bundesjugendkuratori-
um“, im Jahr 2014 von Fami-
lienministerin
Schwesig berufen,
sind gerade drei
von 15 Mitgliedern
unter 40. Das Bun-
desjugendkuratori-
um ist in Wahrheit
ein Bundesalten­
kuratorium. Es wird – mal wieder – ÜBER die Jugend
gesprochen statt MIT ihr. Nur 31 der 631 Abgeordneten
im Bundestag sind unter 35 Jahre alt – das sind kläg­
liche 4,9 Prozent. Dabei beträgt ihr Anteil an der Gesell-
schaft rund 35 Prozent. Die junge Generation ist massiv
unterrepräsentiert. Kinder und Jugendliche haben keine
Lobby.
Im Grundgesetz steht: Alle Staatsgewalt geht vom
Volke aus. Die junge Generation gehört aber genauso
zum Staatsvolk wie die Älteren. Demokratisch ist eine
radikale Senkung des Wahlalters längst überfällig. Die
junge Generation muss mitentscheiden dürfen, wenn es
um ihre Zukunft geht: durch gleiches Wahlrecht für alle,
unabhängig vom Alter, und durch verbindliche Jugend-
quoten in den Parteien.
Die Alten sind nicht der Feind der Jungen, denn wir
wollen schließlich selbst einmal alt werden. Aber: Die
Alten müssen mehr dazu beitragen, dieses Land enkel-
tauglich zu machen – durch Partnerschaft, nicht Feind-
schaft der Generationen. Das
Projekt „Wohnen für Hilfe“, bei
dem Ältere ein Zimmer in
ihrer Wohnung an Studenten
vergeben im Tausch für eine
helfende Hand, z. B. beim
Schneeschippen, Einkaufen
oder in Sachen Internet, ist
ein gelungenes Beispiel für
gelebte Generationen­
solidarität. Ohne ein
solches Engagement der
Alten blutet die Gesellschaft
aus. Daher mein Appell:
Liebe Alte, wir brauchen
euch!
Wolfgang Gründinger
Denkanstoß
Generationen:
Miteinander statt
gegeneinander
Wolfgang Gründinger,
30,
ist Autor und ehrenamtlicher
Sprecher der Stiftung für
die Rechte zukünftiger Gene-
rationen. Für sein Engage­
ment wurde er mehrfach aus-
gezeichnet.
Foto: David Ausserhofer, Illustration: Karo Rigaud
Beiträge in der Rubrik „Denkanstoß“
geben nicht zwangsläufig die Meinung
der Redaktion wieder.
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