Rund 40 Prozent des weltweiten Touris-
mus findet in Entwicklungs- und Schwel-
lenländern statt. Diese haben meist ganz
besondere Attraktionen zu bieten: Land-
schaftlich und kulturell gibt es dort viel zu ent-
decken. Der Tourismus ist in vielen dieser
Länder eine der wichtigsten Devisenquellen. Damit man
dort auch guten Gewissens Urlaub machen kann und
die oft herrschende Armut verringert wird, muss jedoch
einiges zusammenspielen.
Zwar kurbelt Tourismus die Wirtschaft an, schafft
Arbeitsplätze und Einkommen. Viele Einnahmen
fließen aber wieder ab, weil vielerorts für den Tourismus
notwendige Dinge wie Lebensmittel oder Treibstoffe
importiert werden. Die Frage ist auch, wer denn eigent-
lich am Tourismus verdient. Nur die Investoren und
einheimische Eliten? Oder auch die meist unqualifizier-
ten Arbeitskräfte aus den Reisegebieten?
Die Wahrheit liegt sicherlich irgendwo dazwischen.
Sicher ist aber, dass Tourismus in Entwicklungsländern
helfen kann, die Abwanderung der Dorfbevölkerung
in die großen Städte einzudämmen. Schöne Strände,
sauberes Meer, tolle Landschaften – das findet man
eben meist nur abseits großer Ballungszentren. Dort,
wo meist mehr Armut herrscht. Tourismus kann
so also gerade in abgelegenen Regionen Arbeitsplätze
schaffen.
Wie die Strukturen vor Ort sind, können gewöhn
liche Urlauber nicht ohne Weiteres erkennen. Infopor-
tale wie
helfen hier weiter.
Wer außerdem auf kleine, am besten zertifizierte Hotels
und Anbieter setzt, die nach dem Fair-Trade-Prinzip
auch gerechte Löhne bezahlen und Umweltmanage-
ment betreiben, beachtet bereits wichtige Grundregeln
nachhaltigen Reisens.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, mit zertifi-
zierten Veranstaltern zu verreisen. Ein Beispiel ist
TourCert mit
seinem CSR-Siegel,
mit dem in den deutschspra
chigen Ländern etwa 70 Reise-Anbieter ausgezeich-
net sind, die Standards zur Nachhaltigkeit einhalten.
Noch etwas sollte Fernreisenden einen Gedanken wert
sein: Die Klimabelastung durch den Flug in weit entfern-
te Länder kann so hoch sein wie die während eines
ganzen Jahres in der Heimat anfallende Menge an CO2.
Ich empfehle deshalb, möglichst weniger und dafür
länger zu reisen. So, wie man das früher gemacht hat.
Fernreisen nur alle paar Jahre und dann mindestens
vier Wochen am Stück. Die Flugemissionen pro Reisetag
sind so vergleichsweise geringer.
Nachhaltige Fernreisen bedürfen also einer guten
Vorbereitung, zum Beispiel durch die Sympathie-Maga
zine von
. Das hat zudem einen
unschlagbaren Nebeneffekt: Wer sich im Vorfeld mit
Land, Leuten und kulturellen Besonderheiten befasst,
bringt eine Offenheit für das Fremde mit. Diese macht
es erst möglich, eine Fernreise auch als das zu begreifen,
was sie ist – eine Erfahrung, die manchmal sogar einen
selbst verändert, und nicht nur ein Konsumartikel ist.
Prof. Dr. Wolfgang Strasdas
Denkanstoß
Reisen
braucht
Zeit
Prof. Dr. Wolfgang Strasdas
,
55, ist Professor für das
Fachgebiet Nachhaltiger
Tourismus an der Hochschule
für nachhaltige Entwicklung
in Eberswalde (FH) und be-
schäftigt sich unter anderem
mit dem Thema Tourismus
in Entwicklungsländern.
Illustration: Karo Rigaud
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johanniter 2/2013
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